Hände mit Baustoff Zellulose

Bauen mit Papier - wie Papier als Baustoff eingesetzt werden kann

Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen und Erdrutsche aber auch politische Konflikte machen immer wieder viele Menschen von heute auf morgen obdachlos. Die schnelle Versorgung der Betroffenen mit Nahrung, Trinkwasser, medizinischer Hilfe sowie geeigneten Notunterkünften stellt dann eine große Herausforderung für die Helfer dar. Überall dort, wo Menschen plötzlich oder dauerhaft kein schützendes Dach mehr über dem Kopf haben, sind schnelle, unkomplizierte und praktikable Lösungen gefragt. Ein Forschungsprojekt hat die Möglichkeiten untersucht Papier, Karton und Pappe im Baubereich einzusetzen.

Überdimensionale Pappschachtel

Am Anfang stand eine Studie der Technischen Universität Darmstadt zu einem wetterfesten, faltbaren Haus aus Wellpappe. Aufgeklappt ist es 2,50 Meter breit, 3,50 Meter lang und 80 Kilogramm schwer. Was aussieht wie eine überdimensionale Pappschachtel ist aus dicker Wabenpappe gefertigt und bietet Schutz vor Wind und Wetter. Gut zu transportieren, in wenigen Minuten leicht aufzustellen und überall dort einsetzbar, wo schnelle Hilfe gefragt ist - und das sogar kompostiert oder recycelt werden kann, wenn die Module nicht mehr benötigt werden. Ein solches „instant home“ oder Papp-Haus kann zum Beispiel Flüchtlinge beherbergen und in Notsituationen eingesetzt werden.

Fliegende Bauten

Alles, was mit Holz gebaut wer­den kann, sollte auch mit Papi­er und Kar­ton möglich sein

Pro­fes­sor Samuel Schabel

...sagt Professor Samuel Schabel, der das Projekt „BAMP! Bauen mit Papier“ federführend an der TU Darmstadt betreut. Der Fokus zu Beginn des Projektes liegt auf den sogenannten „fliegenden Bauten“. Die Gebäude werden schnell gebraucht und meist nur für einen begrenzten Zeitraum genutzt, beispielsweise als Messebauten, Übergangsbauten für Schulen oder eben Notunterkünfte. An sie werden auch baurechtlich geringere technische Anforderungen gestellt. “Wir wollen zeigen, was Papier alles kann“, so Schabel. Dazu gehört, das Material stabil zu machen und zu optimieren. Denn bereits heute wird Papier als effizienter Baustoff genutzt, zum Beispiel beim Innenausbau mit Gipsfaserplatten oder Laminaten sowie beim Hochbau. An Ideen, wie Papier im Baubereich und in der Architektur eingesetzt werden kann, fehlt es also nicht. Es mangelt jedoch noch an der Grundlagenforschung: Fragen, wie der Werkstoff vor Feuchtigkeit oder zu hoher Hitze geschützt werden kann, müssen noch beantwortet werden. Den Werkstoff Papier für die Bauwirtschaft zu erschließen, ist eine spannende Herausforderung. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Papier ist ein kostengünstiger Baustoff aus einem nachwachsenden Rohstoff, weist gute Eigenschaften in puncto Festigkeit auf – und ist recycelbar.

Das LOEWE-Programm

Die Forschungen im Rahmen des Projektes „BAMP!“ Bauen mit Papier“ sollen langfristig dazu beitragen, die Vorteile des Werkstoffes Papier für das Bauwesen systematisch zu erschließen. Im Rahmen des LOEWE-Programms des Landes Hessen (Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz) wird das Projekt noch bis Ende 2020 gefördert.

https://www.tu-darmstadt.de/bauenmitpapier/startseite_1/index.de.jsp

Eine Frage der Haltbarkeit

Ein neues Forschungsprojekt untersucht nun, wie der Werkstoff vor Feuchtigkeit oder zu hoher Hitze geschützt werden kann. Dazu hat ein Forscherteam der TU Darmstadt ein fast vollständig aus Papier konstruiertes Haus entwickelt. Drei Jahre wird es im Regen stehen oder zumindest Wind, Wetter und Wärme ausgesetzt sein und Aufschluss darüber geben, ob Bauwerke aus Papierwerkstoffen auch über mehrere Jahre der Witterung trotzen können.

Es ist rund drei Meter hoch und hat eine Grundfläche von 7 Quadratmetern. Gefertigt ist das Modell aus großformatigen Papier-Laminaten, die als Boden-, Dach- oder Bodenelemente montiert sind. Aus den Einzelteilen zusammengesetzt, steht das Gebäude nun auf dem Außengelände der Universität. Eine Schindelfassade aus imprägniertem Papier soll das Haus gegen Schlagregen schützen. Wie sich die Konstruktion unter realen Umweltbedingungen verhält, soll in den nächsten drei Jahren getestet werden. Was aussieht wie ein kleines Gartenhaus, ist gespickt mit Technik: Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Feuchte der Bauteile sowie die mögliche Verformung der Struktur werden mit Sensoren überwacht.

Ziel des durch die Forschungsinitiative ZukunftBau geförderten Projektes ist es, kostengünstige Papierbauten zu entwickeln, die schnell errichtet werden können und einen guten Komfort aufweisen. Außerdem erhoffen sich die Forscher ökologische Vorteile, da die Papierwerkstoffe nach Gebrauch recycelt werden können.