Gleismühle, die erste Papierfabrik in Deutschland

Die Geschichte von Papier

Einkaufszettel, Zeugnis oder Geburtsurkunde: Papier ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Aber wer war der Erfinder? Und was hat der Beruf des Lumpensammlers damit zu tun? Wir brechen auf zu einer Zeitreise – oder besser einer Schnitzeljagd – zu den Ursprüngen.

Die Vorgänger

Schon mal auf einem Schildkrötenpanzer geschrieben? Nein? Unsere Vorfahren schon. Auf der Suche nach einem geeigneten Schriftträger waren Menschen seit jeher erfinderisch. Und da es früher weder Blatt, Buch noch Tinte gab, mussten andere Materialien herhalten. Also wurden Höhlenwände bemalt oder Zeichen mit spitzen Gegenständen auf Ton oder in Wachs geritzt. Auch Papyrus, Tierhäute, Pergament, Palmblätter, Steine und zahlreiche andere Stoffe dienten der Wissensspeicherung – und eben auch Schildkrötenpanzer. Doch wer hat den Werkstoff eigentlich erfunden?

Der Erfinder

Wir lösen die Kreuzworträtsel-Frage: Ts`ai Lun! Glaubt man historischen Quellen ist er der Erfinder des Papiers, wie wir es heute kennen. Ts`ai Lun war Würdenträger am chinesischen Kaiserhof und hat die Papierherstellung vor rund 2.000 Jahren erstmals beschrieben. Der kostbare Rohstoff wurde zur Zeit der Han-Dynastie aus einem Gemisch aus Seidenabfällen, Hanf oder Fischernetzen hergestellt. Hinzu kamen Bast und Baumrinde. Anschließende wurden die Fasern zerkleinert, gekocht und mit einem Sieb abgeschöpft. Ein Verfahren, das unzählige Generationen überdauert hat und bis heute ganz ähnlich ist.

Die Verbreitung

Die Kunst der Papierherstellung versuchten die Chinesen geheim zu halten. Doch wie das mit Geheimnissen so ist, irgendwo gibt es immer eine undichte Stelle – und sie gelangte im Laufe der nächsten Jahrhunderte über die Seidenstraße nach Arabien. Unterwegs wurden Herstellung und Ergebnis immer weiter verbessert. Mit der Herrschaft der Mauren in Spanien ab dem 8. Jahrhundert erreichte das Wissen schließlich Europa – zunächst Spanien, wo 1144 in Valencia erstmals Papier hergestellt wurde. Im 13. Jahrhundert gelangte das Wissen auch nach Italien. Die erste deutsche Papiermühle nahm 1390 in Nürnberg ihren Betrieb auf.

Der Herstellungsprozess

Die Papierherstellung war geprägt durch die verfügbaren Materialien: In China wurden zu Beginn insbesondere Hanffasern verwendet. Später kamen als Stoffe Bambus und Stärke zum Einsatz, die eine feinere Papierqualität ermöglichten. Die Araber verwendeten traditionell Hanf und Flachs und brachten diese Technik mit nach Europa – und eben auch nach Deutschland. Da diese wertvollen Fasern zunächst für Kleidung verwendet wurden, entstand ein erster Recyclingkreislauf und ein neuer Beruf: Lumpensammler kauften zerschlissene Kleidung auf und verkauften sie als Rohstoff an die papierverarbeitenden Betriebe weiter. Da der Mangel an Lumpen zeitweise zum Engpass der Papierherstellung wurde, gab es im Jahr 1756 ein Lumpenausfuhrverbot.

Die Erfindung des Buchdrucks

Technische Innovationen führten dazu, dass sich die Papierherstellung im mittelalterlichen Europa schnell weiterentwickelte: Dazu zählten erste Maschinen wie wasserbetriebene Stampfwerke, die den Zerkleinerungsvorgang der Fasern optimierten. Der Einsatz von Lumpen-Stampfwerken oder Papierpressen führte zu feinerer Qualität. Die preisgünstigere Massenproduktion legte auch den Grundstein für eine der wichtigsten Erfindungen: Um das Jahr 1445 erfand Johannes Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern. Bücher konnten nun in größeren Stückzahlen innerhalb kürzester Zeit vervielfältigt werden. Dies führte zur Demokratisierung des Wissens, da der Zugang zu Bildung nun nicht mehr allein der Kontrolle von Kirchen und Regierungen unterworfen war. Durch die innovative Buchdruck-Methode stieg auch die Nachfrage nach Papier.

Das Massenprodukt

1798 erfand der Franzose Louis Robert die erste „richtige“ Papiermaschine. Mit der industriellen Fertigung mangelte es jedoch zunehmend an Rohstoffen. Um nicht mehr abhängig von Lumpen und Hadern zu sein, wurde nach alternativen Rohstoffen zur Herstellung gesucht. Friedrich Gottlob Keller nahm sich die Wespen zum Vorbild, die für den Nestbau Holzfasern abschaben, mit Speichel vermischen und aus dem Faserbrei dünne Lagen für ihre Nester formen. So erfand der sächsische Weber schließlich 1843 mit dem sogenannten „Holzschliff“ eine Methode, um zerschliffenes Holz für die Papierherstellung nutzbar zu machen. Leider vergilbten die Holzschliffpapiere schnell. Dieses Problem löste sich mit der Erfindung der Zellstoffkochung. Die Chemiker Hugh Burgers und Charles Watt stellten 1851 zum ersten Mal Natron- oder Soda-Zellstoff her.

Die Basis für moderne Gesellschaften

Moderne Gesellschaften wären ohne Papier kaum vorstellbar. Für die Information, Literatur und Unterhaltung, für die Verwaltung oder die Organisation von Wissen ist es bis heute unverzichtbar. Daran ändert auch die voranschreitende Digitalisierung nur wenig. Wichtige Funktionen erfüllt der Werkstoff auch als Verpackungsmaterial. Karton oder Wellpappe schützen empfindliche Güter und Lebensmittel und ermöglichen so den Warentransport. Auch im Bereich Hygiene spielt Papier eine wichtige Rolle, wo es nicht nur als Toilettenpapier Verwendung findet. Hinzu kommen hunderte von Spezialanwendungen für Werkstoffe, Medizin oder Gebrauchsgegenstände – vom Geldschein über das Autodach bis zum Staubsaugerbeutel – ohne die unsere Gesellschaft nicht funktionieren würde.

Das Innovationspotenzial

Papier besitzt High-Tech-Potenzial: Immer neue Entwicklungen verändern das Erscheinungsbild des vielseitigen und jahrhundertealten Werkstoffes. Heute wird er mit Elektronik bedruckt, um zum Beispiel Lieferwege nachzuverfolgen. Elektrifiziertes Papier kommt in Notizbüchern zum Einsatz. So lassen sich geschriebene Inhalte über einen QR-Code und eine App digitalisieren. Und selbst Bierflaschen werden aus Papier hergestellt. Na dann Prost Papier: Auf ein neues Kapitel. Denn die Geschichte ist noch längst nicht zu Ende erzählt.

Themen in diesem Artikel