Spektakulärer Neubau: Papiermuseum Düren

Zu Besuch im Dürener Papiermuseum

Was ist alles aus Papier? Die kleinste Bibel der Welt, das Autodach eines smarts und Paneele für die perfekte Akustik der Elbphilharmonie. Aber noch viel mehr, sagt Anja Dorn, Leiterin des Papiermuseums Düren. Ein Gespräch über den wandlungsfähigen Werkstoff, virtuelle 3D-Rundgänge und heilige Schluckbildchen, die früher als Medizin verkauft wurden. Eine Auswahl spannender Exponate finden sich im zweiten Teil des Artikels.

Papier, das sind Bücher, Zeitungen, Spickzettel, Geldscheine, Gutscheine und Theaterkarten. Oder die Online-Bestellung, die wir in Pappe verpackt, vom Paketboten erhalten. Das Material ist Alltagsbegleiter – und verbindet fast immer Vergangenheit und Zukunft. Nirgends wird das so deutlich, wie im Papiermuseum Düren, das in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiert.

Der spektakuläre Neubau, der wie ein gefaltetes Blatt erscheint, entstand nach dem Entwurf des Kölner Architekten Klaus Hollenbeck. Seit zwei Jahren ist es das neue Zuhause des Papiermuseums. Im Inneren erwartet die Gäste eine Entdeckungsreise zu einem Werkstoff, dessen Bedeutung sich ständig ändert – gerade im digitalen Zeitalter. Wir haben mit Anja Dorn, der Leiterin des Papiermuseums Düren, gesprochen.

Frau Dorn, was ist das Besondere am Papiermuseum Düren?

In unseren Ausstellungen geht es nicht nur um die Geschichte der Papierherstellung, sondern auch sehr stark um die Zukunft. Besucher erfahren etwas über die Geschichte der Papierstadt Düren, die wie die Region seit fast 450 Jahren von der Papierindustrie geprägt ist. So wurden das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der Vertrag zur Deutschen Einheit auf Dürener Papier gedruckt. Gleichzeitig blicken wir auf neue Entwicklungen wie Papier aus Gras oder die Innenwand der Elbphilharmonie in Hamburg, die für die perfekte Akustik aus einem Papier-Gipsgemisch besteht. Für alle Autofans haben wir das Papierdach eines smarts und erklären, wie das Material beschichtet sein muss, um im Lebensmittelbereich Anwendung zu finden. Ich finde besonders die Bandbreite der historischen und neuen Exponate spannend.

Zuletzt war das Museum wegen der Corona-Pandemie mehrere Wochen geschlossen. Gab es in dieser Zeit besondere Angebote?

Wir haben mit Hilfe eines Dürener Unternehmers einen virtuellen 3D-Rundgang erstellt. So kann man sich am Bildschirm durch das Museum bewegen und Informationen und Videos zu einzelnen Objekten abrufen. Allerdings sind Museen natürlich Orte, in denen es um Objekte geht, und darum, wie wir durch sie die Welt erfahren. Das kann der digitale Raum nur begrenzt leisten. Wenn man vor einer Lithografiepresse steht, dann vermittelt allein der Gegenstand eine Vorstellung davon, wie diese Maschine funktionieren könnte. Daher freuen wir uns sehr, dass der reguläre Betrieb wieder angelaufen ist – und Besucher unter Beachtung geltender Hygiene- und Abstandsregeln die Ausstellungsstücke auch haptisch erfahren können.

Was ist der größte „Aha-Moment“ des Besuches?

Momentan sind die Leute sehr fasziniert von speziellen Andachtsbildchen, sogenannte Schluckbildchen. Diese Zettel, auf denen beispielsweise Heilige abgebildet sind, wurden seit dem 17. Jahrhundert als Medizin verkauft. Man schluckte sie herunter und erhoffte sich Heilung. Auch kranken Tieren wurden sie verabreicht. Das ist für viele Menschen natürlich gerade in Corona-Zeiten interessant. Vielleicht findet man da ja auch heute den passenden Heiligen, die heilige Barbara etwa, die von ihrem Vater in einen Turm eingesperrt wurde. Ob der Verzehr der Bilder tatsächlich wirkt, wissen wir natürlich nicht. Und wir haben bislang auch noch nicht bei Herrn Professor Drosten nachgefragt (lacht).

Die Exponate - von der kleinsten Bibel der Welt bis zum Guckkastenbild

Die kleinste Bibel der Welt

Die Miniatur-Bibel ist gerade einmal 3,5 x 3,5 Millimeter „groß“. Das in Leder gebundene Buch mit Goldprägung ist ein einzigartiges Stück Handwerkskunst. Es ist das erste Buch dieser Größe, das in großer Auflage und mit ganzen Texten hergestellt wurde. Es enthält das Vaterunser in sieben Sprachen: Englisch, Französisch, Deutsch, amerikanisches Englisch, Spanisch, Niederländisch und Schwedisch.

Die kleinste Bibel der Welt, 20. Jh., Ledereinband, Fadenbindung

Historische Lithografiepresse

Diese 115 Jahre alte Lithografiepresse gelangte in den 1990er Jahren in die papierhistorische Sammlung des Museums, ebenso wie andere Arbeitsmittel, Maschinen zur Stoffaufbereitung, Geräte zur Papierherstellung- und verarbeitung, Maschinenmodelle und Prüfgeräte. Einige dieser historischen Maschinen und Geräte kommen heute noch bei Führungen und Workshops zum Einsatz.

Lithografiepresse, 1905, Firma Karl Krause, Leipzig, Stahl, Messing, Holz, 150 x 210 x 120 cm

Schluckbildchen

Andachtsbilder, die Heilige oder biblische Szenen zeigten, wurden von der Kirche seit dem 17. Jahrhundert eine Heils- und Gnadenwirkung zugeschrieben. Das ließ sie zu einem festen Bestandteil der Volksmedizin werden. Heilung versprach man sich vom Auflegen der Andachtsbildchen auf erkrankte Körperteile oder vom Verzehr sogenannter „Schluckbildchen“. Diese wurden auch erkrankten Haus- und Nutztieren unter das Futter gemischt.

Andachtsbildchen Heilige: Jacobus, Maria und Unbekannte als Schluckbildchen, um 1750, Kupferstich auf Büttenpapier, 9 verschiedene kleine Andachtsbildchen, Blattmaß je ca. 5,8 x 4,4 cm

Smartes Papierdach

Autos mit geringem Gewicht, benötigen weniger Antriebsenergie. Dennoch müssen Stabilität und Widerstandsfähigkeit gewährleistet sein. Daher arbeiten viele Hersteller daran, Gewicht außerhalb des Fahrzeugschwerpunkts zu reduzieren. Beim smart fortwo ist es erstmals gelungen, eine dreidimensionale Papierwabenkonstruktionen in die Außenhaut einzusetzen: Seit 2014 besteht das Dach des Autos aus einem Papierwaben-Sandwich, das durch die textile Bespannung und spezielle Behandlung wasserundurchlässig ist.

Papierdach eines Smarts mit Stoffüberzug, 2004

Papier aus Gras

Seit dem 19. Jahrhundert wird Papier aus Holz hergestellt. Parallel wurde stets mit alternativen Faserrohstoffen experimentiert, beispielsweise mit Gras. Bei der Papierherstellung verhält es sich ähnlich wie Holz. Gras kann Holz zwar nicht ersetzen, aber es stellt eine wertvolle Erweiterung der Rohstoffbasis dar. Durch die innovative Verarbeitung von Gras zu Pellets, ist der Rohstoff erstmals richtig lagerfähig.

Papier mit Grasanteil: Pellets und eine Obstverpackung der Firma GRASPAP - Creapaper

Die Weiße Haut der Elbphilharmonie

Die Elbphilharmonie Hamburg, eines der weltweit bekanntesten Konzerthäuser, verdankt seine perfekte Akustik der sogenannten Weißen Haut. Die über 10.000 Paneele der einzigartigen Wand- und Deckenverkleidung bestehen aus Naturgips und Altpapier. Ihre dreidimensionale Oberfläche weist eine Million individuell gefräster Zellen auf. Diese sorgen dafür, dass der Klang an jeder einzelnen Stelle im Konzertsaal optimal reflektiert wird. Die Weiße Haut entstand in Zusammenarbeit mit dem weltbekannten Akustiker Yasuhisa Toyota.

Modellstück der sog. Weißen Haut der Elbphilharmonie

Guckkastenbild „Petersburg, Entwurf eines Platzes“

Guckkastenbilder sind aufwändig gestaltete, handkolorierte, perspektivisch angelegte Kupferstiche und Radierungen aus dem 18. Jahrhundert. Dargestellt werden zum Beispiel historische Ereignisse, spektakuläre Seeschlachten und Sehenswürdigkeiten europäischer Städte. Die auf dicke Papprahmen montierten und beispielsweise mit transparentem Stoff Bilder, boten Menschen erste 3D-Impressionen. Auf Jahrmärkten boten meist kriegsversehrte Veteranen gegen Entgelt einen Blick in den beleuchteten, mit Linse und Spiegeln ausgestatteten Guckkasten, und erläuterten höchst lebendig das Weltgeschehen.

Georg Balthasar Probst, „Petersburg, Entwurf eines Platzes“ (Detail), 1750, kolorierter Kupferstich auf Büttenpapier, als Guckkastenbild montiert, Motivmaß 26,9 x 39,8 cm.

(Quelle Fotos: Papiermuseum / Fotograf: Peter Hinschläger)

Anja Dorn ist Leiterin des Papiermuseums Düren. Die umfangreiche Sammlung des Museums besteht aus Papiermaschinen, Modellen, Papiermustern, grafischen Darstellungen des Papiergewerbes und Papierkunstwerken. Hinzu kommen zahlreiche innovative Exponate wie Papier aus Gras, die zeigen, dass das Material mehr sein kann als ein Schriftträger oder Verpackungsmaterial. Das Papiermuseum Düren versteht sich als Ort der Inklusion und setzt einen Schwerpunkt auf die Teilhabe von Menschen mit Einschränkungen. Es steht Besuchern aller Altersklassen offen. Fast täglich sind Schulklassen oder KITA-Gruppen im Haus. Ein Highlight für alle Altersgruppen ist das traditionelle Papierschöpfen per Hand, das nach der Corona-Pandemie auch wieder wie gewohnt stattfinden kann.

Öffnungszeiten der Ausstellungsräume: Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr / Donnerstag zusätzlich von 17 bis 19 Uhr.

Seit August 2019 haben Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, auch Schulklassen, freien Eintritt ins Museum. An jedem ersten Donnerstag im Monat ist der Eintritt für alle frei. Weitere Informationen unter: www.papiermuseum-dueren.de.

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